So schaut's

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Mrz 182012
 

So schaut's

Reshared post from +Don Dahlmann

Mein Internet, mein Haus

(Der Text lag schon was länger halbfertig auf dem Rechner rum. Er kommt etwas spät in Sachen ACTA, SOPA usw., aber es geht um das Grundgefühl, das meinen Widerstand gegen die massiven Eingriffe in die bürgerlichen Freiheitsrechte im Netz auslöst.)

Jeder nutzt "sein" Internet so, wie er mag, setzt andere Schwerpunkte, integriert das Netz so in sein Leben, wie es eben am besten passt. In den vergangen anderthalb Jahrzehnten hat das Internet mein Leben natürlich massiv verändert. Ich arbeite in einem Bereich, den es vor 5 Jahren schlichtweg nicht gab, ich mache Dinge, von denen ich vor 10 Jahren nicht mal geträumt habe. Es hat technische Entwicklungen gegeben, die nicht mal zu ahnen waren. Mein aktuelles Smartphone mit seiner Dual-Core CPU ist leistungsstärker als das Notebook, dass ich vor sieben Jahren mal gekauft habe und das nun in einem Regal verstaubt. Ich habe damit (theoretisch) einen schnelleren Download, als ich noch vor vier Jahren mit meiner DSL-Leitung hatte. Ich höre Musik aus einer riesigen Bibliothek, ich finde in fremden Städten meinen Weg und auch ein passendes Restaurant in wenigen Sekunden. Und dann ist da der wichtigste Punkt überhaupt: Ich habe mehr Freunde durch das Internet gefunden, als jemals zu vor. Ich habe mehr Menschen mit ähnlichen Interessen kennen gelernt, als ich mir das jemals hätte träumen lassen. Das Internet hat mein Leben reichhaltiger, abwechslungsreicher, freundlicher und spannender gestaltet, als ich mir das damals, als ich den knarzenden Modem-Eimwahlton (Der 56k Modem Klang – The 56k dialup modem sound) lauschte, hätte vorstellen können.

Und so geht es wohl vielen, die in den letzten 10 Jahre oder mehr das Internet für sich entdeckt haben. Aber während viele (ich auch) romantisierend in ihren Gedanken und Blogs übers Internet nachdachten, hat das Netz auch andere erreicht. Und manche haben etwas andere Vorstellungen vom Internet, als ich das habe, wenn ich so mit dem Netz rumspiele.

Die Rechteverwerter-Industrie, Verleger, Kriminelle, Politiker und Status-Quo-Ante-Apologeten, um nur mal ein paar zu nennen, verstehen das Internet anders. Einige sehen eine hübsche Einnahmequelle, andere haben, oft gleichzeitig, Angst, dass das, was sie nicht verstehen, eine Bedrohung für die Welt ist, in der sie Leben darstellt. Und dann fangen sie an, sich in "mein" Internet einzumischen.

Sie wollen Regeln, die ich nicht verstehe, sie wollen Überwachung, weil sie denken, ich könnte evtl. gegen die Regeln, die ich nicht wollte, verstossen. Sie mischen sich einen Teil meines Lebens ein, der sie a) nichts angeht und von dem sie meiner Meinung nach b) dringend die Finger lassen sollen.

Es fühlt sich ein wenig so, als würde man einen netten Haus mit netten Nachbarn leben. Man kennt sich, oder lernt sich kennen, es gibt ein paar Deppen, aber die kann man ignorieren. Man tauscht Musik aus, oder auch mal ein Buch, man redet, trinkt, lacht, man entdeckt durch andere noch mehr Etagen im Haus, aber vor allem fühlt man sich sehr wohl. Und dann kommt zum Beispiel jemand, der einem vorschreiben will, dass man keine Musik oder Bücher mehr tauschen darf. Wenn man das machen würde, dann würde man dafür sorgen, dass man nach dem dritten Mal aus dem Haus geworfen wird. Oder man muss horrende Summen zahlen. Dann kommt jemand, der sagt, dass man sich gefälligst ausweisen soll, wenn man im Haus rumläuft. Dann einer, der sagt, dass man dem Nachbarn nicht mehr berichten darf, was man eben in der Zeitung gelesen hat. Jedenfalls nicht kostenlos.

Natürlich ist das alles ein wenig verkürzt dargestellt. Ich habe nichts gegen ein vernünftiges Urheberrecht, dass dann auch die Urheber, also die Künstler, tatsächlich schützt. Ich habe nichts dagegen, dass der Staat im Notfall schaut, was einzelne so treiben. Es geht um das Gefühl, das meiner Erfahrung nach im Moment viele haben. Dass bestimmte Kräfte scheinbar etwas dagegen haben, wie ich mein Leben mit meinen Freunden gestalte. Es ist ein wenig so, als ob sehr viele schlecht gelaunte Hausmeister täglich durch den Hausflur marodieren und das Leben unerträglich machen, um mal beim gewählten Bild zu bleiben.

So etwas geht nicht ohne Spuren an jenen vorbei, die in dem Haus leben. Interessanterweise ziehen die wenigsten aus (i.e. kappen ihre Internetleitung), sondern sie werden sauer. Sie werden so sauer, dass sie sich wehren. Zum Beispiel mit einer eigenen Partei. Und der Frust über Gängelung durch Industrie- und Lobbyzweige, die offenbar den Verstand verloren haben und tollwütig mit Schaum vor dem Mund ihre Lügen verbreiten, sitzt so tief und ist offenbar so weit verbreitet, dass so eine Partei innerhalb von wenige Monaten zu einem kleinen, aber echten Machtfaktor wird. Gleichzeitig wundern sich Politiker und Wirtschaftsvertreter, wo der scharfe Gegenwind plötzlich herkommt.

Ich kann es Euch sagen: Ihr habt nicht nur mein Haus betreten. Sondern das vieler, vieler Menschen. Die "ihr" Internet haben, für die es ein Teil des Lebens geworden ist, das mit einem lebt, liebt, feiert, trauig ist, lacht, weint und immer da ist, wenn man es braucht. Das will ich mir nicht mehr nehmen lassen. Deswegen werde ich mich im Rahmen meiner rechtlichen Möglichkeiten dagegen wehren, zum Beispiel, in dem ich mir Menschen und Parteien suche, die meinem Internet, diesem sehr wichtigen Teilbereich meines Lebens, Schutz versprechen.

Es ist mein Haus, mein Leben und ein Stück eben "mein" Internet.

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